Mattenkapitel der Franziskaner

Ob und wie die deutschen Orden ihre derzeitige Krise meistern werden, ist momentan noch ungewiss. Auch wenn es Neuansätze gibt, eine grundlegende Wende steht noch aus. Die deutschen Franziskaner haben ein Modell entwickelt, das den langsamen Niedergang aufhalten soll. Beim so genannten Mattenkapitel, die Zusammenkunft aller deutschen Franziskaner in Vierzehnheiligen, wurden Weichen für die Zukunft gestellt. Im Mittelpunkt stand das „Emmaus-Projekt“, ein Zukunfts- und Strukturprozess, der vor einem Jahr begonnen wurde und 2019 angeschlossen sein wird.

Pater Dr. Cornelius Bohl, Provinzialminister der Deutschen Ordensprovinz, erläuterte unserer Zeitung worum es im Kern gehe. Die Emmaus Jünger sprachen auf dem Weg in ihre Heimat über ihre nicht erfüllten Hoffnungen und Enttäuschungen. „Nun haben wir als Provinz keine Karfreitags-Katastrophe hinter uns. Aber wir erleben, wie in der Kirche und in unserer Gemeinschaft vieles zusammenbricht, was bisher selbstverständlich getragen hat“, sagte Pater Cornelius. Das seien wirklich Abbrüche und Zusammenbrüche, nicht nur ein paar augenblickliche Schwierigkeiten. Vieles, was war, sei unwiderruflich vorbei. Manche glaubten gar nicht mehr an eine Zukunft, so der Pater. „Auch bei uns gibt es das: Enttäuschung, Müdigkeit und manchmal Resignation“.

Provinzialminister Pater Dr. Cornelius Bohl leitete das Mattenkapitel

Trotz aller Enttäuschung: Die beiden Jünger verstummten nicht, sondern redeten miteinander. Sie erzählten sich ihre Not, hörten einander zu, fragten gemeinsam. Sie waren offen, sich in ein Gespräch auch mit einem Fremden, Jeus , wie sie später erkannten, einzulassen. Der ehrliche Austausch tat ihnen gut und brachte sie weiter. Ihnen gingen die Augen auf für etwas, was sie vorher nicht gesehen hatten. Die Begegnung mit Jesus veränderte ihre Sicht. Sie hatten wieder Hoffnung, neuen Mut. Sie merkten, dass sie anderen etwas zu sagen haben. Sie hatten eine Botschaft, ein Ziel und sie hatten Zukunft. „Das ist der Kerngedanke des Emmaus-Projekts“, so Pater Cornelius, nicht weglaufen, sondern anpacken.

Dazu sollen Kriterien entwickelt und ein Verfahren erarbeitet werden, mit dem dann alle Brüder ein Votum abgeben können. „Sicher, wir müssen reduzieren und schließen, aber Ziel ist nicht die Abwicklung einer Provinz, sondern eine kraftvolle Perspektive“, so der Ordensmann. „In Zukunft werden wesentlich weniger Brüder authentisch und überzeugt ihre franziskanische Berufung leben“. Erste Sondierungen zur Realisierung solcher innovativen Konzepte sollen bis zum Sommer 2018 vorgenommen werden.

Pater Cornelius weiß, dass nicht alle Brüder von einem Projekt Emmaus begeistert sind. In der Vergangenheit seien schon die Ergebnisse so mancher Strukturprozesse später im Sand verlaufen. „Dennoch haben wir uns in der Provinzleitung klar hinter den Wunsch des letzten Kapitels gestellt. Wir spüren: Die Situation ist drängend und erfordert schmerzhafte Eingriffe“. In den letzten Jahren sei manchmal kritisch nach den Kriterien für eine Hausauflösung gefragt worden. „Ich sehe im Projekt Emmaus die Chance, in der gesamten Provinz das Bewusstsein einer gemeinsam geteilten Verantwortung zu wecken und Entscheidungsperspektiven zu entwickeln, die von einer großen Mehrheit mitgetragen werden“, stellte Pater Cornelius fest. Die Emmaus-Geschichte sei kein frommer Überbau, sondern der Kern dessen, was uns im kommenden Jahr beschäftigen werde.

Als nächsten Schritt kündigte der Provinzial ein U 60-Treffen am 23. Und 24. Mai in Vierzehnheiligen an. Vieles was entschieden werde, gehe die Brüder unter 60 Jahren an. Weil sie eine besondere Verantwortung in den nächsten 20 Jahren tragen, solle ihre Stimme in dem Erneuerungsprozess auch besonders gehört werden. Es gehe bei diesem U 60-Treffen nicht alleine um Information und Austausch. Beim Nachdenken darüber, an welchen Orten und in welchen Aufgabenfeldern die Ordensmitglieder künftig leben wollen, solle die Einschätzung von den Jüngeren qualifiziert mit eigenem Gewicht in den Entscheidungsprozess einfließen.

Mattenkapitel
Franziskus hat das erste Mattenkapitel an Pfingsten 1221 auf dem Gelände bei der Kirche Portiuncula unterhalb von Assisi gehalten; damals waren 5000 Brüder versammelt. Sie kamen zu Fuß und lagerten sich auf Strohmatten, auf denen sie auch schliefen. Auf diesem ersten Mattenkapitel wurde von Franziskus die nichtbullierte Regel vorgestellt, die in den nächsten zwei Jahren aber noch gestrafft wurde, bevor sie vom Papst anerkannt wurde. Franziskus sandte auf diesem Kapitel verschiedene Brüder nach Deutschland, England und in den Orient zur Mission aus. Heute werden Mattenkapitel in unregelmäßigen Abständen von verschiedensten franziskanischen Kongregationen auf regionaler oder internationaler Ebene veranstaltet. Im Unterschied zum Sach- oder Provinzkapitel, das von gewählten Vertretern besucht wird, kann am Mattenkapitel jedes Ordensmitglied teilnehmen.

Text und Bild: Andreas Welz