Neuer Guardian in Vierzehnheiligen

Seit einigen Wochen leitet Franziskanerpater Dietmar Brüggemann das Ordensleben im „fränkischen Bethlehem.“ Mit Wallfahrten hat der 62-Jährige Erfahrung, da er zuvor in Neviges bei Wuppertal wirkte. Wichtig ist es ihm, den Brüdern der Gemeinschaft nicht nur ein geistliches Zuhause zu ermöglichen, sondern auch eine Atmosphäre des Wohlwollens, der Gastfreundschaft und der Offenheit. „Alle sollen hier in ihrer Besonderheit leben und atmen können“, betont er. „An das gut Gewachsene anknüpfen, Bewährtes weiterführen und das ein oder andere neu zu erschließen“, nennt er als Ziele. Vor allem will der neue Guardian mit seinem Team und den vielen Helfern Vierzehnheiligen offenhalten für die Gläubigen und Suchenden. „Ich habe vom früheren Guardian und Leiter Pater Heribert ein wohlbestelltes Haus übernommen“, sagt Brüggemann. Unbekümmert habe er sich für die Aufgabe als Guardian von Vierzehnheiligen entschieden. Doch daraus sei nichts geworden: „Ich wurde gleich richtig ausgebremst. Eine meiner ersten Amtshandlungen war es, den Gläubigen vor der Eingangstür zu erklären, dass erstmals keine Gottesdienste aufgrund von Corona stattfinden. Ich wollte keine Schilder aufhängen, sondern es persönlich erklären. Einige wollten es gar nicht glauben.“ Viel Kraft forderten die Einschränkungen aufgrund der Pandemie den Franziskanerpatres in den vergangenen Wochen ab. „Immer wieder heißt es, das machen wir nicht und das auch nicht“, berichtet er. Führungen, Reisegruppen und einige Wallfahrten wurden abgesagt. „Das ist schon ganz schön frustrierend, gerade am Anfang meiner Tätigkeit in Vierzehnheiligen.“ Umso schöner sei es, dass Vierzehnheiligen den Menschen am Obermain so viel bedeutet: „Da gibt es eine starke Verbundenheit, die gewachsen ist, aber äußerlich zur Zeit ruht, da keine Gottesdienste stattfinden.“ Umso erfreulicher sei die Anteilnahme an Vierzehnheiligen in dieser schweren Zeit, die viele Gläubige per Mail oder die sogenannten sozialen Netzwerke im Internet bekunden. „Die Krise trifft uns an der empfindlichsten Stelle, denn Kirche und Seelsorge lebt von Nähe und Kontakt“, erklärt der Guardian. „Dass die heiligen Messen nicht öffentlich gefeiert können, ist ein großer Schmerz und Verlust. Es greift mir ans Herz, wenn ich die leere Kirche ohne Gottesdienstbesucher sehe.“ Doch es sei wichtig, nicht nur auf das zu schauen, was nicht möglich ist, sondern neue Dinge wertzuschätzen und zu praktizieren, die möglich sind und die einen Reichtum darstellen, empfiehlt Brüggemann.
So war in der Fastenzeit die „Mauer der Klage“ in der Basilika aufgestellt. Hier konnten die Gläubigen ihre Bitten und Klagen aufschreiben und ablegen. Beicht- und Gesprächsangebote finden samstags und nach Vereinbarung in der Beichtkapelle statt. In der Basilika sind die Franzikanerpatres regelmäßig präsent. Pater Dietmar wünscht sich, dass die Wallfahrten nach dieser Durststrecke wieder in Gang kommen und sich viele Menschen auf den Weg nach Vierzehnheiligen machen, um sich eine Stärkung für den Alltag zu holen und ihre Ängste zu verarbeiten. Vierzehnheiligen bezeichnet der Geistliche als „eine Art Leuchturm“ für bestimmte seelsorgerische Anliegen in ökumenischer Verantwortung, die in vielen Pfarrgemeinden so nicht möglich sind – etwa Segnungsgottesdienste oder Fastenpredigten.
Immer mehr Menschen kämen nach Vierzehnheiligen mit dem Wunsch, ein persönliches Fest, wie etwa ein Ehejubiläum zu feiern, was in vielen Gemeinden aufgrund des Priestermangels nur noch bedingt möglich ist.

Sorgen bereitet dem Guardian die Finanzierung der neuen Glocken, die ohne Einnahmen aus Führungen, von Reisegruppen oder Kirchenbesuchern schwieriger wird. Deshalb hofft Pater Dietmar auf Spenden.

Die Osterfeiertage haben die Patres im häuslichen Rahmen verbracht. „Uns ist es wichtig, dass die Kirche geöffnet bleibt, die Mesner und Kirchenschweizer werden die Kirche so festlich gestalten wie im letzten Jahr auch“, betonte der Guardian. So wurden das Kreuz und das „Heilige Grab“ aufgestellt und die Basilika geschmückt, damit die Gläubigen, die zum Beten in die Kirche kommen, zumindest etwas österliche Atmosphäre erfahren. Sobald wieder öffentliche Gottesdienst möglich sind, können auch Wallfahrten und Besuchergruppen kommen.

Auch der Nachwuchsmangel bereitet dem Franziskanerpater sorge. Von Sommer 2019 bis Sommer 2020 werden Deutschlandweit sechs Franziskanerklöster aus Personalmangel geschlossen. Vierzehnheiligen genieße in der Ordensprovinz allerdings einen besonderen Stellenwert. Und das Aufgabenfeld mit der Seelsorge, Gottesdiensten, Beichte und Wallfahrten sei besonders reizvoll. Dennoch bleibe die Frage, ob sich auf Dauer genug Patres für Vierzehnheiligen finden. Zurzeit leben vier Patres über 80 Jahre und drei im Arbeitsalter auf dem „heiligen Berg.“

Durch einen familiären Bezug kam Pater Dietmar zum Franziskanerorden. Über seinen Onkel kam der erste Kontakt zustande. So waren ihm die Brüder und ihr Leben von Kindheit an vertraut. Als Abiturient lernte er mehrere Franziskanerklöster kennen und das Gefühl „Da gehöre ich hin“ wuchs. „In all den 43 Jahren hab ich das nie bereut, nur dass ich mit 19 Jahre bereits ins Kloster eingetreten bin. Direkt nach dem Abitur hätte ich noch andere Erfahrungen außerhalb des Klosters machen sollen“, sagt er. Nach dem Studium in Münster und Freiburg wirkte der Franziskaner in Hannover, in Dortmund, in Paderborn, in Füssen im Allgäu sowie in Neviges. Ein Jahr lang arbeitete er als Taxifahrer in Münster und fuhr Menschen nach Hause, die nicht ahnten, dass sie mit einem Geistlichen im Auto saßen. „Ich habe selten so offene Gespräche geführt wie im Taxi“, erinnert er sich. Die raue Wirklichkeit der Großstadtnächte ermöglichte Brüggemann den Blick über den Tellerrand des Klosters. Ebenso die 13 Jahre, in denen er als Krankenhausseelsorger Menschen auf ihrem letzten Weg begleitet hat. Ausgleich findet er in der Lektüre von Gedichten und beim Hören von Opern.

Text und Bilder: Gerd Klemenz