Am Tag der Grundsteinlegung der Wallfahrtskirche vor 279 Jahren, am Gedenktag des heiligen Nothelfers Georg, wurde am späten Samstagnachmittag im Jubiläumsjahr mit einer Glockenvesper ein besonderer Akzent gesetzt. Zahlreiche Interessierte waren dem „heiligen Berg“ hochgekommen, um das Läuten der 11 Glocken einzeln, in Kombination mit anderen und im Gesamten zu erleben und ihre Freude am Geläut zu teilen. Im Lied von der Glocke hat Friedrich Schiller mit lyrischen Worten beschrieben, was die Glocken in aller Welt und zu allen Zeiten bedeuten. Zunächst erklärte Guardian Pater Maximilian, dass der Gnadenaltar eigentlich vorne in der Vierung stehen sollte, wo Längs- und Querschiff sich kreuzen. Da aber die Kirche zehn Meter weiter bergab gebaut wurde, verrutschte die Erscheinungsstelle und damit auch der Gnadenaltar darüber in die Mitte der Kirche. „Balthasar Neumann, der über diese Eigenmächtigkeit sehr erbost war, musste die Pläne seiner Kirche neu zeichnen. Aus einem verpfuschten Bau wurde ein Geniestreich, denn um den Gnadenaltar entstand durch das Einfügen von 8 Säulen der „Ballsaal Gottes“ eine einzigartige Meisterleistung in der Kunst“, erzählte der Guardian. Zunächst wande man sich den fünf „alten“ Glocken zu, die es schon vor 2019 gab. Die größten Glocken im Südturm sind die ältesten. Im Jahr 1869 wurden sie gegossen und sind den Nothelfern Georg und Blasius geweiht. Schwester Alexia ging nun auf die Aufschrift der Georg-Glocke ein und die 2475 Kilogramm schwere war anschließend zu hören. Nun zitierte Pater Maximilian die Inschrift der Blasius-Glocke, vorauf hin sich die 1460 Kilogramm in Bewegung setzte. In den Jahren nach dem 2. Weltkrieg wurde die „Glocke der heiligen 14 Nothelfer“ 1950 gegossen, das Erz der Waffen wurde für die Glocke eingeschmolzen, damit sie den Frieden verkünde. 1069 Kilogramm ist sie schwer und hängt im Nordturm der Basilika. Die Glocke „De profundis“ erinnert an Psalm 130, der auf dieser Glocke geschrieben ist. 1921 nach dem 1. Weltkrieg gegossen, erinnert sie an die Gefallenen dieses Krieges. Ursprünglich sollte sie den Apostelfürsten Petrus und Paulus gewidmet sein. Beide zieren nun als Vorbild im Glauben die Fassade der Basilika. Die 429 Kilogramm schwere „Marien Glocke“ wurde ebenfalls 1921 nach dem 1. Weltkrieg gegossen. „In der Zeit der Pest und in den Kriegen unter Bombenhagel riefen die Menschen eindringlich Maria an“, so Schwester Alexia. Zusammen sangen nun alle auf dem Basilikavorplatz das Lied „Maria, breit den Mantel aus“. Im Anschluss erklang zunächst die Marienglocke und dann alle 5 „alten“ Glocken zusammen, die bis 2019 schon zu hören waren. Jetzt allerdings durch einen neuen hölzernen Glockenstuhl klingen sie viel harmonischer. 2019 wurde das Glockengeläut der Basilika um 6 neue Glocken erweitert und der metallene Glockenstuhl durch einen aus Holz ersetzt. Diese neuen Glocken sind nun im Nordturm beheimatet. An die fast 700-jährige Präsenz der Zisterzienser in Klosterlangheim und Vierzehnheiligen (1133 bis 1803) erinnert die Glocke des heiligen Benedikt und Bernhard. Der heilige Benedikt forderte seine Mönche jeweils mit dem Glockenschlag auf ora et labora (bete und arbeite). Der heilige Bernhard von Clairvaux, der die strengere Reform der Benediktiner entscheidend geprägt hat, wusste bei jedem Glockenschlag „Den Garten des Paradieses betritt man nicht mit den Füßen, sondern mit dem Herzen“. Seit 1839 ist die Seelsorge in Vierzehnheiligen den Franziskanern anvertraut. „Die Glocken mahnen zum Morgen-, Mittag- und Abendgebet, ganz ähnlich wie der fünfmalige Gebetsruf des Muezzins in islamischen Ländern. Vermutlich hat der heilige Franz von Assisi diese Tradition aus dem Orient nach Europa mitgebracht. Jedenfalls verbreiten die Franziskaner im 13. Jahrhundert das Gebet vom „Engel des Herrn“ auf der ganzen Welt. Und dazu fordern uns die Glocke jeden Tag auf, wenn sie um 6, 12 und 18 Uhr läuten“, so Pater Maximilian. Nun beteten alle zusammen das „Angelus-Gebet“ und im Anschluss erklang die Franziskus-Glocke. Die Wallfahrtskirche ist wie alle Zisterzienserkirche weltweit der Gottesmutter – meist der „Aufnahme Mariens in den Himmel“ geweiht. „Die Marienglocke, die wir bereits gehört haben, wurde um drei weitere Glocken ergänzt“, so Schwester Alexia. Nun sagen alle „Freu dich, du Himmelskönigin“ und im Anschluss erklang die 204 Kilogramm schwere „Regina coeli Glocke“. Mit zu den ältesten Titeln gehört die Anrufung Mariens als Meerstern (stella maris). Die Matrosen auf offener See haben so immer wieder Hilfe bei der Gottesmutter als Schutzpatronin gesucht. Für die Seefahrer waren in früheren Zeiten die Sterne in der Nacht wichtig. Sie zeigten die Richtung für ihren Weg. Die Bezeichnung „Maria Meerstern“ symbolisiert den rettenden Stern. Maria kann für den Weg unseres Lebens wie der Stern und Kompass für die Seefahrer sein. Dazu stimmte Pater Maximilian das passende Marienlied „Meerstern, ich dich grüße“ an und die Glocke „Ave maris stella“ erklang danach. „Santa Maria degli Angeli“ – heilige Maria von den Engeln ist das Patronat der kleinen Kapelle in Portiuncula, wo die Wiege des Franziskanerordens steht. Oft in der Kunst ist Maria umgeben von zahlreichen Engeln – so auch die Basilika. Nun erklang die 118 Kilogramm schwere Glocke „Ave domina angelorum“. Nach dem Lied „Segne du Maria“ konnte man alle 4 Marienglocken zusammen hören. In Vierzehnheiligen ist dem Schäfer Hermann Leicht 1445/46 dreimal das göttliche Kind erschienen. Über der Erscheinungsstelle steht heute der Gnadenaltar. Über 1000 Jahre alt ist der Weihnachtschoral „Puer natus est“ (Ein Kind ist uns geboren). Diese Worte zieren auch die kleine Glocke der Basilika in Erinnerung an das Christuskind, die nun zu hören war. Nach dem „Te deum“ erklangen alle elf Glocken zusammen und riefen ins Maintal hinein. Die zahlreichen Zuhörern folgten interessiert den Ausführungen von Pater Maximilian, Kirchenpfleger Richard Lurz und Schwester Alexia und gaben gerne ein Spende zugunsten des Glockenstuhls und der neuen Glocken. Insgesamt läuten im „fränkischen Bethlehem“ elf Glocken zu den verschiedenen Anlässen, einzeln oder im Ensemble.
April 2022
Bilder & Text: Gerd Klemenz